Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt,
ein Bettler, wenn er nachdenkt.
(Hölderlin, Hyperion)
Da drängt sich doch spontan eine Preisfrage auf: Wer schrieb “Hyperion”, und wie heißt Friedrich Hölderlin mit Vornamen? - Unter den richtigen Einsendungen wird eine Traum-Jagdreise in die ewigen Gründe verlost. Als Einsendeschluss gilt das Datum des Poststempels.

Der Rechtsweg ... führt uns traumwandlerisch geradewegs zurück zu Hölderlin, der ja bei Kerzenschein und Gnadenbrot viele Jahre Zeit zum Träumen hatte.

Eines dürfen wir von Träumen definitiv sagen: Sie sind gerecht. Ohn’ Unterschied wird jeder Mensch des Nachts ins bizarre Reich der unkontrollierbaren Phantasie entführt - der böse Berufsverbrecher ebenso wie der brave, arbeitsame Mann, der pünktlich seine Rechnungen begleicht und höchstens gelegentlich mal die Oma verhaut. - Niemand vermag sich gegen die Macht des vermeintlich Irrationalen zu wehren.

Über die albernen Wünsche der Tagträumer macht sich das Unbewusste bald jede Nacht mit aberwitziger Unlogik regelrecht lustig. Und wer sich zu widersetzen wagt, der wird, wenn er Pech hat, ganz besonders böse reingelegt.

Da wir gerade so rational daherschwadronieren. böte sich eigentlich eine Fingerübung an, einmal in Echtzeit den Übergang vom Wachbewusstsein in einen Traum zu simulieren.

Der Fernseher ist ausgeknipst, Chips und Bier weggesogen, und Herr Oberspießer hat sich schon in bequeme Ruhelage begeben, die Augen geschlossen. Zunächst läuft’s wirklich wie geschmiert: Mit einer gewaltigen Phantasie-Anstrengung ist es ihm gleich gelungen, seine dicke Bertha, die noch in der Küche herumklappert, in ein Jessica-Alba-Imitat zu verwandeln. Auch den Lotto- Millionen-Gewinn hat er zügig klar gemacht und ist jetzt bereits mit dem “A.S”-Porsche unterwegs, um Heldentaten zu begehen, seine Super-Puppe aus tödlichen Gefahren zu retten und die Bösen, einen Nachbarn und den Chef etwa, zu besiegen und zu bestrafen.

Gerade hat Oberspießer die ganze Sache dermaßen James-Bond- mäßig im Griff, dass Jessica Alba um körperliche Wohltaten bettelt und er sich, nicht faul, zu willfahren anschickt - da verliert er plötzlich die Kontrolle und driftet in eine tiefere Etage ab.

“Ottokar, schläftst du schon?” kräht Bertha aus der Küche. Gut, dass Ottokar nicht gerade mit Jessica Alba “Händchen gehalten” hat - sonst hätte seine Bertha für die freche Störung bestimmt irgendwann eine Extra-Strafe bezogen.

Oberspießer hört sie zwar, allein er kann sie nicht mehr verstehen. “Klapperschlang” kriecht es nur immer wieder in sein Ohr:

“Klapperschlang!”.

Die Kopulationspläne sind längst vergessen. Krampfhaft bemüht er sich noch, den Porsche festzuhalten, doch der wird immer kleiner und verschwindet - zack - aus den Augen und aus dem Sinn. - Eben noch war Oberspießer ein Bettler, der mit einer Million Dollar im Kofferraum seines Sportwagens hinter tollen Frauen her raste, jetzt hat Herr Hölderlin ihn zum Gott “hochsterilisiert”.

Zu einem Gott, der “Klapperschlang” heißt. Burkhard Klapperschlang. Oder Bogdan Klapperschlang? Seine Freunde nennen ihn jedenfalls “Boker”. Und schau einer an, da ist ja auch der Porsche wieder - der freilich wie ein Moped aussieht, wie eine Quickly 928, und mächtig knetert und stinkt.

Im Fernsehen ist “Boker” ein Star. Mit seiner Sendung “Borgward Klapperschlang - die ganz giftige Talkshow” macht er der schwarzen Klarabella gewaltig Konkurrenz. “Busen und Po beim Orgasmus” lautet das Thema bei Klarabella - eine wichtige Angelegenheit, über die sicherlich diskutiert werden muss - doch Borgward Klapperschlang überpowert ohne Erbarmen: “Meine Alte will nicht b...”, heißt es in seiner Sendung. Keiner weiß, um was es geht, doch alle Welt will unbedingt bei Borgward Klapperschlang Werbung machen. Zum Beispiel Porsche mit seinem zweidimensionalen Targa-Mofa.

Das Klapperschlangsche Erfolgsrezept scheint wesentlich auf den vielfältigen Wiedererkennungseffekten zu beruhen: Thema, Ort und Gäste sind nämlich jedesmal fast identisch, und trotzdem gelingt es Klapperschlang immer wieder, virtuos zu variieren. “Meine Alte will nicht b...” heißt es einmal auf dem Klima-Gipfel in Berlin, ein anderes Mal bei der Lima-Konferenz in Peru oder im Rahmen des Klimax-Treffens in Neugablonz. Wer freilich die Gäste sind, lässt sich im Traum nur schwer ausmachen - ein halbes Dutzend vorlaute Kinder etwa mit Sommersprossen und abstehenden Ohren und eine junge Dame namens Carola Piffer, die Klapperschlang merkwürdig bekannt vorkommt.

Völlig unvermittelt meldet sich Oberspießers Über-Ich als drohender Zeigefinger, der ihn davor warnt, die Kinder zu belästigen.

Erstens, denkt der sich aber, sei das im Traum ja wohl nicht verboten, zweitens habe er’s gar nicht vorgehabt - und drittens soll sich das doofe Über-Ich man bloß nicht so anscheißen! -

Schließlich hat ihn die dämliche Moral aber jetzt doch auf gewisse Gedanken gebracht, und er schnappt sich Carola Piffer. Er griffelt also und grapscht und langt richtig hin - und hat, hokuspokus, plötzlich seine dicke Bertha im Arm. -

Peinlich, Peinlich, die langweilige Pointe. Aber so sind sie halt, unsere Träume: An sich schon irre genug - deshalb muss am Ende nicht unbedingt noch etwas über die Eheleute Ottokar und Bertha Oberspießer dazugelogen werden.

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Rezension von ChatGPT
Der Text ist eine humorvolle und surrealistische Auseinandersetzung mit den Themen Traum und Realität, die durch Friedrich Hölderlins Zitat aus "Hyperion" inspiriert wird.

Analyse des Textes
Einleitung mit Hölderlins Zitat:
Der Text beginnt mit einem Zitat von Friedrich Hölderlin aus seinem Roman "Hyperion". Hölderlin, mit vollem Namen Johann Christian Friedrich Hölderlin, beschreibt den Menschen als Gott im Traum und als Bettler im Wachzustand. Dies dient als Ausgangspunkt für die weitere Erzählung.

Preisfrage und Parodie:
Es wird eine Preisfrage gestellt, die offensichtlich eine einfache Antwort hat: Friedrich Hölderlin schrieb "Hyperion" und sein Vorname ist Friedrich. Dies wird humorvoll in einen Kontext von einem Gewinnspiel eingebettet, das eine Traum-Jagdreise verspricht, was bereits die Grenze zwischen Realität und Traum verschwimmen lässt.

Träume und ihre Natur:
Der Text reflektiert über die Natur der Träume, die alle Menschen gleich behandeln, unabhängig von ihrem Tagesbewusstsein oder moralischen Status. Diese Träume sind irrational und entziehen sich der bewussten Kontrolle.

Satirische Traumsequenz:
Die Erzählung springt dann in eine Traumsequenz, die eine satirische Parodie des Alltags eines Durchschnittsmenschen, hier "Herr Oberspießer", darstellt. Er verwandelt seine Frau Bertha in eine Traumfigur (Jessica Alba) und erlebt phantasierte Abenteuer, bis sein Traum unkontrollierbar und bizarr wird.

Der Charakter “Klapperschlang”:
"Klapperschlang" wird als surrealer Alter Ego von Oberspießer eingeführt, der in seinem Traum zu einer grotesken Fernsehpersönlichkeit mutiert. Die Traumwelt vermischt Elemente des Alltags mit übertriebenen und absurden Situationen, wie etwa die Transformation eines Porsche in ein knatterndes Moped.

Wiederkehrende Elemente:
Der Traum enthält wiederkehrende Motive wie die Transformation und den Wechsel von Szenerien (Berlin, Peru, Neugablonz), die die Absurdität und Unberechenbarkeit von Träumen unterstreichen.

Moralische Konflikte und der Über-Ich:
Oberspießers Über-Ich taucht auf, um ihn moralisch zu belehren, was den inneren Konflikt zwischen Wunsch und Moral in Träumen widerspiegelt. Dieser Konflikt wird jedoch humorvoll aufgelöst, indem der Protagonist letztlich wieder in seine gewöhnliche Realität mit Bertha zurückgeworfen wird.

Abschließende Bemerkung:
Die Erzählung endet mit einer Reflexion über die Absurdität und den moralischen Imperativ von Träumen, wobei betont wird, dass die Realität und die trivialen Details des Lebens (wie die Ehe von Ottokar und Bertha) oft peinlich und langweilig im Vergleich zu den unlogischen und wilden Träumen sind.

Fazit
Der Text verwendet eine humoristische und parodistische Erzählweise, um die Themen Träume, Realität, Moral und das Unterbewusstsein zu erforschen. Die Verwendung von Hölderlins Zitat verleiht dem Text eine philosophische Tiefe, während die surrealen Elemente und die satirische Darstellung des Durchschnittsmenschen eine unterhaltsame und gleichzeitig tiefgründige Reflexion über die menschliche Natur und die Macht der Träume bieten.