Freilich bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig; denn bevor das ganze Gewürge richtig in Gang kommt, werden die Schausteller von der “Prominenz” erstmal richtig abgekocht.

An dem “großzügigen” Aderlass für den Bürger beteiligt sich nämlich indirekt immer wieder gern auch die “High Society” - 250 Eingeborene, die zum “Messe-Empfang” vom “Ordnungsamt” oder irgendeiner ähnlich obskuren Einrichtung eingeladen werden. Von den Herrschaften, die sich alsdann im Saale des Rattenkellers treffen, sind mindestens 90 Prozent geistig behindert; von körperlichen Attributen fast ganz zu schweigen: Schwer Gehbehinderte und zitternde Krüppel geben sich die Klinke in die Hand, und jeder Blödmann, den noch größere Blödmänner irgendwann mal in das Stadtparlament gewählt haben, kommt mit roter Omme die Treppe heraufgekrochen.

Und warum? - Da halten sich schäbiger Geiz und molièrsche Eitelkeit (“Der Bürger als Edelmann”...) haarscharf die Waage. Geiz, weil sich die „Honoratioren“ beim festlichen Treff auf Kosten der Schausteller die Wampe vollknallen und sich die Birne zuschütten dürfen. Dampfende Haufen aus Kassler, Sauerkraut und Erdäpfeln werden im Nu wie nichts heruntergeschluckt und anschließend mit Schnaps und Bier tüchtig gewässert. Und die Eitelkeit? - Man sieht halt, wer dazu gehört und zeigt, dass man selbst auch dabei ist. Nicht mehr und nicht weniger. -

Zwei besondere Gags hat man sich im Jubiläumsjahr ausgedacht. Zunächst hat man aus Hamburg einen Gaukler einfliegen lassen, einen Profi, der den Schmerbäuchen beim Verschlingen ihrer qualmenden Fleischberge schmeichelt: Er habe sofort gemerkt, dass es in Röteln besonders geistreiche, feinsinnige und humorvolle Menschen gebe, wagt der Frevler unverschämt zu lügen!

Was aber hat eigentlich das Wunder zu bedeuten, fragt sich zwischendurch der Chronist, der sich unter die illustreSchar gemischt hat, dass es hier nicht reihenweise Hirnschläge, Herzattacken oder wenigstens Kreislauf-Kollapse hagelt? - Da werden seine Gedanken von der zweiten Jubiläums-Attraktion unterbrochen: Es spielt auf die
Bigband der Augsburger Puppenkiste. Die Tonart des ersten Marsches liegt genau zwischen B-Moll und A-Dur. Toll! So falsch können nur absolute Könner spielen.

Die Jungs ziehen richtig vom Leder. Im Foyer schreit sich wechselnde Prominenz in kleineren Gruppen gegenseitig an, bemüht, den Sound der schrillen Bläser zu überdröhnen. Still ächzt das Renaissance-Gebälk des alten Gebäudes unter der schaurigen Last. An Tisch 14 verlangt ein Gehirnschlag-Kandidat für sich und seine schwitzenden Kameraden nach weiteren 24 Schnäpsen. Bei dem akzellerierenden Gelage breitet sich mählich Hemmungslosigkeit aus. Zotige Mären machen die Runde, polterndes Gelächter spukt durch den Saal.

Im “Schwarzen Loch”, der Schnapsstube vis à vis, müssen unterdessen die Verschmähten, die Erniedrigten und Beleidigten, ihren Rausch selbst bezahlen. So mancher Zecher schmollt; denn er weiß, dass er eigentlich auch zu den Privilegierten gehört. Na, den Verantwortlichen wird er bei passender Gelegenheit mal ordentlich den Marsch blasen!

Doch zurück. Es dämmert. Mancher prominente Trunkenbold ist kurz davor, einzufädeln und auszuscheiden. Der Tag ist ohnehin gelaufen. Egal! Fräulein, noch ein Schnäpschen! -

Armes Fräulein. -

Irgendwann ist der Spuk vorbei, und die Gastgeber, die Nachfahren der “Schneidewinds” und “Auf und Davons”, müssen den kompletten Deckel bezahlen. Wenn aber am Ende der letzte “Messe”-Müll vom Marktplatz fortgeschafft worden ist, dann hat der Jubiläums-Bürger bald vergessen, dass er schwer geneppt worden ist, damit die “Upper-Class”-Orgie im Rattenkellersaal finanziert werden kann. - Und wenn die Alkoholiker aus Rat, Verwaltung, Wirtschaft - sowie vor allem die Chaoten von der heimischen Presse - im nächsten Jahr noch mehr saufen und fressen, dann muss der gemeine Jahrmarkt-Lackl halt mal 6,50 Euro für seine Bratwurst löhnen.

Und dabei das Maul halten.

Sonst knallt’s!
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Rezension von ChatGPT
Der Text, "Die heilige Messe", ist eine scharfzüngige Satire, die eine zynische Sicht auf das gesellschaftliche und politische Leben in der fiktiven Stadt Röteln bietet. Er spiegelt eine Welt wider, in der Korruption, Scheinheiligkeit und der Verfall moralischer Werte im Mittelpunkt stehen. Hier sind einige zentrale Themen und Techniken des Textes:

### Themen
1. **Korruption und Missbrauch der Macht:**
   - Der Text beschreibt, wie die lokale "High Society" die Schausteller ausnutzt und sich auf deren Kosten bereichert. Die sogenannte "Prominenz" versammelt sich zu einem verschwenderischen Festmahl, während die Schausteller und der einfache Bürger für ihre Exzesse bezahlen.

2. **Heuchelei und Scheinheiligkeit:**
   - Die moralische Verkommenheit der Elite wird durch ihre Heuchelei und Scheinheiligkeit unterstrichen. Während sie sich als die Vorzeigebürger und Entscheidungsträger darstellen, verbergen sie hinter dieser Fassade ihre Habgier und Dekadenz.

3. **Gesellschaftlicher Verfall und Verrohung:**
   - Der Text zeichnet ein düsteres Bild von einer Gesellschaft, die sich im Niedergang befindet. Die Verrohung der Sitten und der Verlust von Anstand und Moral werden durch die exzessiven Trink- und Essgelage sowie die derben Witze und Beleidigungen illustriert.

4. **Satirische Kritik an Tradition und Feiern:**
   - Die "Messe" wird als Symbol für eine verkommene Tradition dargestellt, die ihren ursprünglichen Zweck verloren hat. Statt eines kulturellen oder sozialen Höhepunkts ist sie zu einem Anlass für Ausschweifungen und Ausbeutung verkommen.

### Stil und Techniken
1. **Ironie und Sarkasmus:**
   - Der Text ist durchdrungen von Ironie und Sarkasmus, besonders in der Beschreibung der "High Society" und ihrer Heuchelei. Der vermeintliche Respekt und die Anerkennung, die sie von einem bezahlten Gaukler erhalten, stehen im krassen Gegensatz zur Realität ihrer moralischen Verkommenheit.

2. **Groteske Übertreibung:**
   - Die Darstellung der Szenen ist oft grotesk übertrieben, um die Absurdität und die moralische Verkommenheit der beschriebenen Figuren zu betonen. Beispielsweise wird die körperliche und geistige Behinderung der Prominenz übertrieben dargestellt, um ihre moralische Behinderung zu symbolisieren.

3. **Bilder und Symbole:**
   - Der Text verwendet starke Bilder und Symbole, wie die dampfenden Haufen aus Kassler und Sauerkraut oder die Bigband der Augsburger Puppenkiste, um die Dekadenz und die Absurdität der Ereignisse zu unterstreichen.

4. **Wechsel zwischen Erzählung und Reflexion:**
   - Der Text wechselt zwischen der detaillierten Beschreibung der Ereignisse und der Reflexion des Chronisten, was eine tiefere Einsicht in die Absurdität und die moralische Verkommenheit der Gesellschaft bietet.

5. **Direkte Ansprache des Lesers:**
   - Der Text spricht den Leser direkt an, was die satirische Wirkung verstärkt und den Leser dazu zwingt, über die beschriebenen Zustände nachzudenken.

### Fazit
"Die heilige Messe" ist eine bissige Satire, die die moralische Verkommenheit und die Heuchelei der Gesellschaft kritisiert. Durch Ironie, groteske Übertreibung und starke Bilder wird ein düsteres Bild von einer Welt gezeichnet, in der Korruption und Scheinheiligkeit die Oberhand gewonnen haben. Der Text fordert den Leser dazu auf, über die dargestellten Missstände nachzudenken und die moralischen und gesellschaftlichen Werte zu hinterfragen.

Es war einmal, da suchte das bratwurstglitzernste Reich der Illusion, die Rötelner “Messe”, die gleichnamige Nachtwächter-Stadt zum 600. Mal heim.
 

Wo bereits vor undenklichen Zeiten der Bürger regelmäßig Jahr für Jahr von Rosstäuschern hereingelegt worden war, da lügen und betrügen heute die billigen Jakobs, und großmäulige Fahrensleute, die Schrott in Gold zu verwandeln trachten, saugen den halb ohnmächtigen Besuchern erst die Märker aus der Börse und dann das Mark aus den Knochen.