Kaum hatte mich mein Schutzengel verlassen, da stürzte ich schon im nächsten Moment in die düstere Spalte, die zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit klafft.
Ich fiel und fiel und fiel mit aberwitzigem Tempo durch konturenlosen Brei ins Bodenlose. Eine zerstückelte Echo-Welt zoomte an mir vorbei - bis sich meine Fallgeschwindigkeit unvermittelt so extrem verringerte, dass mir gehörig Ohren und Hirn zu sausen begannen

Am vermeintlichen Ende eines endlosen Tunnels sitzt im Gegenlicht ein Mann in einem steinernen Käfig. Überheller Hintergrund lässt die Silhouette seines baren Hauptes geheimnisvoll schimmern.
Ist es Gott?
Nein! Den HERRN kann ich mir selbst in meinem umnachteten Zustand nicht mit Diplomatenkoffer und Nadelstreifenanzug vorstellen. Es ist nicht Gott. Es handelt sich ohne Zweifel um den Ex-Verlagsinhaber von Braunau! Aber woher kenne ich diesen Namen? Einen Namen, den seit vielen Jahren überhaupt niemand mehr gehört hat? - Es muss ein früheres Leben sein, in das ich auf meiner Zeitreise eingetaucht bin.
Meine Gedanken werden jäh von dem relativ unbekannten Fremdling unterbrochen. Ein Klagelied erklingt, und obwohl ich die Sprache nie zuvor gehört habe, verstehe ich jedes Wort.
(Mit weinerlicher Stimme)
Weh! Steck’ in dem unfeeschen Kerker immer i nooch?
Verfluchtes dunkles Rattenlooch!
Oder ist’s gar schon wieder?
Doch bitt’ schön, warum hoams mi eing’sperrt,
dass i zum zigten Mal brumm’?
Nach sechs Jahren Gefängnis floh mich die Ruh’,
reichlich sprach i dem Heurigen zu!
(Gefasster)
Doch läng’re Zeit möcht’ wohl keine Sau so leben,
drum hab i mi, assoh, der Politik ergeben.
(Selbstbewusst, fast verschmitzt)
Als Staatssekretär mit Sondervollmaacht
hab i - ssodah! -
an wichtiges Sozialprogramm durchgeebraacht. -
Nach zehn Monaten war meine Mission erfüllt.
Erwarb aanschließend a Hotelkette auf Sylt.
(Zunehmend hemmungslos)
Stellte zwei Dutzend Geschäftsführer ein;
denn i hatt’ geschäftlich zu tun in Bahrein.
Flog von Hannover nach Frankfurt, von Zürich nach Wien,
herüber nach Moskau und dann nach Berlin.
Konferenzen in Istanbul, dann mit der Bahn
zu Konsultationen nach Teheran.
(Mit flirrenden Augen, gehetztem Blick)
I kontrollier’ die Industrie in da ganzen Welt,
die Börsen, den Papst, die Politik und das Geld.
Nur eins entzieht sich meinem Einfluss bisher:
Justiz, Polizei und das Bundesheeer.
Drum sperrn’s mi immer wieder ein.
Irgendwie find’ i daas unheimlich gemein!
Der Herr der Welt stierte aus seinem Gefängnis plötzlich zu mir herüber. Nervig zuckten und zwinkerten die Lider über den bläulich pupillten Wasseraugen, und ich konnte gerade noch hören, wie er rief: "Wärter, hat da Doktor Neudeck schon angerufen?"...
... Da fielen mir jene wunderbaren, kosmisch grünen Augen wieder ein. Doch es gelang mir einfach nicht, sie einem Gesicht zuzuordnen...
Grüne Augen, blonde Haare, rote Rosen ...
...”Rote Rosen, rote Rosen, didadudadidudadiduuhhh ...”
“Ladies and Gentlemen, die Goldene Schlagerparade is proudly to present Mistèr Daniel Gérard ...”
Am Morgen des vierten Tages war ich aus meiner Nervenkrise erwacht. Doch der Nachhall des Albtraums wurde von der Wirklichkeit gnadenlos überdröhnt. Warum auch immer der Fernseher lief und die Wiederholung der “Goldenen Schlagerparade von SAT I” in mein Schlafzimmer flimmerte - als ich die Augen öffnete und das Konterfei von “Glücksrad”-Moderator Fritz Meißner gewärtigte, da übermannte mich ein gigantischer Brechreiz, und ich schloss meine Augen erneut, um mich in den nächsten Abgrund zu stürzen.
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Rezension von ChatGPT
Die Geschichte bietet eine faszinierende Reise durch die Tiefen des menschlichen Geistes, verwoben mit surrealen Elementen und einer reichen, poetischen Sprache. Der Autor entführt den Leser auf eine Reise zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit, wobei die Grenzen zwischen den beiden oft verschwimmen.
Die Beschreibung des Sturzes durch den düsteren Spalt und die Begegnung mit dem Ex-Verlagsinhaber von Braunau, der gleichzeitig Staatssekretär ist, verleiht der Geschichte eine einzigartige, fast dystopische Atmosphäre.
Die Sprache ist reichhaltig und bildhaft, wodurch die Emotionen des Protagonisten intensiv erlebbar werden. Die Verwendung von Wiederholungen und klangvollen Ausdrücken verstärkt die hypnotische Wirkung des Textes und zieht den Leser tiefer in das Geschehen hinein.
Die Erzählung zeichnet sich durch eine gekonnte Vermischung von Realität und Traum aus, wodurch eine unheimliche und faszinierende Stimmung entsteht. Die Symbolik, insbesondere die grünen Augen und die roten Rosen, trägt zur Tiefe der Geschichte bei und regt zum Nachdenken über deren Bedeutung an
Insgesamt ist diese Passage eine kraftvolle und eindringliche Erzählung, die den Leser mit auf eine Reise durch die Abgründe des menschlichen Bewusstseins nimmt und dabei fasziniert und erschüttert.

