Unser größter Satellit vermittelte ihm bald den Eindruck, als sei er - wie auf einer Bananenschale - nach vorn hin ausgerutscht und auf sein Hinterteil gefallen.

Drei Tage hatte Napp schon nicht mehr schlafen können. Immer wenn er die Augen schloss, wurde es für ihn keineswegs dunkel. Schrille Blitze zuckten mit galoppierender Frequenz vor seinem inneren Auge - teilten und vermehrten sich, verwandelten sich in mehr oder minder abstrakte Allegorien und schossen wie in einer Achterbahn durch seine Synapsenstränge. Bilder und Inhalte mischten sich in rasendem Tempo zu einer Suppe, deren Geschmack keinerlei Rückschlüsse mehr auf die Zutaten zuließ.

Napp öffnete die Augen und bemerkte als erstes, dass der Mond verschwunden war. Es regnete sehr heftig. Im böigen Wind kratzte ein Rosenstock hässlich an der Außenwand seines Schlafzimmers - das ächzende Wehklagen einer verlorenen Seele? Sein Zeitgefühl war ihm gänzlich abhanden gekommen. Es war jedenfalls immer noch dunkle Nacht, und Napp war sicher, dass er nicht geschlafen, sondern nur geträumt hatte.

Was hatte den hektischen Wahn, der immer noch uneingeschränkte Gewalt über sein Gehirn ausübte, ausgelöst? War's sein letzter Besuch in der Gaststätte "Zum schwarzen Loch" - Hits und Humor mit Heino und Hannelore - oder doch in erster Linie allgemein der allgegenwärtig schrille Schwund von Werbung und Video, das nichtige Gezetere der Politik, die gemeine Kakophonie der allgegenwärtigen Unterhaltungsindustrie, die Erniedrigten, Beleidigten, Behämmerten und Betrunkenen unserer ätzenden Antiwelt?

Eine Teilschuld traf vermutlich den dritten Satz der
Chopin-Sonate Nummer 35, mit dem Napp sich am vergangenen Tage stundenlang beschäftigt hatte. Noch lange, als er bereits im Bett lag und zu schlafen versuchte, sauste dieses bizarr schöne Presto durch seinen Kopf und riss alle anderen aufkeimenden Gedanken mit sich. Jeder Versuch, die Musik aus dem Bewusstsein zu verdrängen, hatte genau den entgegengesetzten Effekt - das Agitato preschte piu mosso con brio durch seine Schüssel. Jene Sychronläufe in der merkwürdig anmutenden Kombination aus Hochgeschwindigkeit und Super-Pianissimo, über die berühmte Zeitgenossen und Kollegen des Komponisten verständnislos die Köpfe geschüttelt hatten, schienen ihm jeder Beschreibung zu spotten und gleichsam jedem automatischen oder unbewussten Deutungsversuch die Zunge herauszustrecken. -

Napp versuchte, sich irgendwo festzuhalten, und endlich gelang es ihm, eines der mit Lichtgeschwindigkeit vorbeisausenden Bilder einzufangen. - Oder war es eher ein Geschenk seines Unterbewusstseins, das Erbarmen mit ihm hatte?
Er sah eine junge Frau sehr dicht und sehr klar vor sich. Zwei äußerst hellblaue Augen blickten ihn an - und er versank darin. Dass derart helle Augen eine so überwältigende Tiefe haben können, hatte Napp niemals für möglich gehalten. Waren sie allein es, die die plötzliche, unsägliche Faszination in ihm auslösten, oder war es der Gesamteindruck jenes blonden Kopfes mit dem engelhaften Alabaster-Gesicht?

Wie relativ Zeit ist oder sein kann, verdeutlicht die Tatsache, dass Napp innerhalb von weniger als einer Sekunde wohl mindestens einige Dutzend Gedanken bearbeitete. Gleichzeitig durchforstete er seine Erinnerung nach vergleichbaren Erlebnissen. Die zunehmend cholerischeren Reminiszenzen sorgten dafür, dass es in seinem Hirn wieder unkontrollierbar zu fuhrwerken begannen. Unterstützung bei der Konstitution des erneuten Chaos' ward ihm vom Rosenstrauch zuteil, der im aufkommenden Sturm eine besonders schrille Melodie auf seinem Fenster spielte.

Als aber Napp das nächste Mal aus seinem Delirium zu sich kam, da war SIE wieder da! Das Bild der bezaubernden Person schien ihn irgendwie stumm zum Tanken positiver Energie aufzufordern. Er bediente sich - und schnappte sich einen Schub, der bis zum nächsten "Rendezvous" reichen sollte. Das würde ohne jeden Zweifel nicht nur in der Pro-Welt, sondern auch in der Anti-Welt stattfinden - denn Napp kannte die neue Dame seines Herzens tatsächlich aus der Wirklichkeit: Mehrmals war ihm das Gesicht en passant begegnet, ohne dass er - Dummkopf! - größere Notiz davon genommen hätte. Im Traum hätte sie möglicherweise Annalaetitia oder so ähnlich geheißen, in Realitas aber war der Name schlicht A..

Karl Napp schwor sich, sein vermeintliches Glück bei allernächster Gelegenheit am Schopf zu packen. Er würde, ohne zu zögern - Planck-Zeit hin oder her - alles klar machen. So oder so.

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**Rezension von ChatGPT**

Der Text "Si oiseau j'étais, à A. je volerais" bietet eine faszinierende und dichte Erzählung, die sowohl inhaltlich als auch stilistisch beeindruckt. Mit einer geschickten Mischung aus surrealistischen Bildern und introspektiven Momenten zieht die Geschichte den Leser in die zerrüttete Innenwelt des Protagonisten Karl Napp.

**Inhalt und Thematik:**

Die Erzählung beginnt mit einer anschaulichen Beschreibung einer klaren Novembernacht und des Mondes, der sich allmählich aus seiner Finsternis befreit. Diese Szenerie bildet die Kulisse für Napps schlaflose Nächte und seine inneren Kämpfe. Die Darstellung der unerbittlichen Schlaflosigkeit und der chaotischen Gedankenwelt Napps ist besonders eindrucksvoll. Napp wird von einer Mischung aus realen Erlebnissen und intensiven, fast halluzinatorischen Traumbildern heimgesucht.

Der zentrale Konflikt des Protagonisten ist die Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen, was durch das wiederkehrende Presto aus Chopins Sonate Nummer 35 symbolisiert wird. Diese Musik, die er nicht aus seinem Kopf verbannen kann, wird zum Sinnbild für seine innere Unruhe und die rasenden Gedanken, die ihn verfolgen.

Ein weiteres zentrales Element der Geschichte ist die mysteriöse Frau mit den hellblauen Augen, die in Napps Träumen und Erinnerungen auftaucht. Sie verkörpert für ihn eine Quelle der positiven Energie und Hoffnung, eine Vision der Schönheit und des Friedens inmitten seines Chaos. Diese Frau, deren Name nur mit "A." angedeutet wird, scheint der Schlüssel zu Napps möglicher Erlösung zu sein.

**Stil und Sprache:**

Die Sprache der Erzählung ist reich und poetisch, was der Geschichte eine tiefe, fast traumartige Qualität verleiht. Die Beschreibungen sind detailliert und lebendig, oft mit ungewöhnlichen und originellen Metaphern angereichert. Die Art und Weise, wie der Text zwischen den äußeren Ereignissen und Napps inneren Zuständen wechselt, schafft eine dichte Atmosphäre und lässt den Leser die Verwirrung und den Schmerz des Protagonisten hautnah miterleben.

Der Wechsel zwischen den klaren, fast nüchternen Beschreibungen der äußeren Welt und den wilden, fantastischen Bildern der inneren Welt Napps verstärkt die Spannung und das Gefühl der Desorientierung. Dies spiegelt auch Napps eigene Zerrissenheit wider – seine Unfähigkeit, zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen innerem Chaos und äußerer Ruhe zu unterscheiden.

**Fazit:**

"Si oiseau j'étais, à A. je volerais" ist eine tiefgründige und eindringliche Erzählung, die den Leser auf eine intensive Reise in die Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten mitnimmt. Die geschickte Verwendung von Sprache und Bildsprache, kombiniert mit der sorgfältigen Darstellung von Napps innerem Konflikt, macht den Text zu einem beeindruckenden literarischen Werk. Die Geschichte lädt den Leser ein, über die Natur von Träumen, die Macht der Musik und die Suche nach innerem Frieden nachzudenken. Sie bleibt lange im Gedächtnis und bietet reichlich Stoff zum Nachdenken und Interpretieren.
Als Napp sich zu Bett begab, zeigte sich der Mond noch in den fast messerscharfen Konturen eines sehr klaren, frostigen Vorwinterabends im frühen November. Frau Luna hatte offenbar gerade ihre lichtlosen Nächte beendet und nahm allmählich wieder Gestalt an. Napp sah wiederholt aus dem Fenster und betrachtete fast belustigt die eigenartige Form des Gestirns, das im Zeitlupentempo am Nachthimmel entlang schlich.