In unserer TV-Zeitschrift lesen wir das Exposé: “Nachdem er sich auf der Geburtstagsfete seiner Schwester an einer Frau vergangen hat, wird Sigi Franke verhaftet. Kurz darauf wird er von seinem Schwager befreit: Sylvia leidet an Leukämie und benötigt dringend einen Rückenmarkspender... S. 75.”
Auf Seite 75 erfahren wir Näheres - zum Beispiel, dass der Psychopath Sylvias Zwillingsbruder ist. Und: “Siggi hatte mit der reichen Barbara zunächst geflirtet. Doch die Dame wehrt den Draufgänger ab - und wird kurze Zeit später in der Arztpraxis, die Sabines Ehemann Michael führt, vergewaltigt. Sylvia ahnt, wer der Täter ist und rät ihrem Bruder zur Flucht,” lesen wir weiter. “Aber auch Partygast Tanja weiß Bescheid und schaltet den Staatsanwalt von Meck (Klaus Wennemann) ein, der Sigi prompt verhaften lässt."
Ein Klasse-Drehbuch mit einer genial ausgeklügelten Handlung! - Oder?
Oder!
Der nächste und letzte Satz in der Vorschau zu dem “Gerichtskrimi“ der uns am Sonntag, dem 14. April, um 20 Uhr zu SAT1 locken sollte, haut dem Fass dann endgültig den Boden aus: “Die Verteidigung plädiert jedoch auf Schuldunfähigkeit: Sigi wurde vom Vater missbraucht.“
Ach, du liebe Zeit!
Die subtile Psychologie - ganz im Stil der neuen deutschen TV-Romantik - erfüllt uns mit Betroffenheit und Abscheu, und schlagartig wird uns klar, warum sich Ursache und Wirkung vermischen, wenn Eltern ihre Kinder missbrauchen, eine Zwillingsschwester Leukämie bekommt und cholerische Staatsanwälte ununterbrochen schreien und mit Ballermännern herumfuchteln: Weil es Filme wie “Bruder, ich brauche Dein Blut” gibt!
Was soll man da denn sonst noch machen? -
Jedenfalls haben wir uns den Film vorsichtshalber erst gar nicht angesehen. Nicht aus Angst vor unserer eigenen, vermeintlichen Schwäche und den möglichen Folgen, sondern schlicht, weil uns auch so schon übel war....
Man schont uns aber im Vorfeld weiterhin nicht. Kaum liegst du mal entspannt in der Badewanne und hast vergessen, den Fernseher auszuknipsen. da dröhnt schon der nächste 60-Sekunden-„Trailer“ durch die Tür. Man hört, wie das Opfer des Opfers, “die reiche Barbara”, mit modisch nasaler Stimme sagt: “Ich bin vergewaltigt worden.” Und Staatsanwalt Wennemann brüllt irgendetwas Unverständliches.
Bei nächster Gelegenheit sehen wir das ganze dann auch - am Ende eines 20-minütigen Werbeblocks - und bewundern die Klasse der Schauspieler: Die Darstellerin der “reichen Barbara” macht selbst mit blutverschmiertem Gesicht und zerrissenem Kleid immer noch einen perfekt gestylten Eindruck - wer weiß, vielleicht schaut Hollywood ja zu - und bewegt sich so grazil und affektreich vor der Kamera, dass sie nach der Schicht eigentlich gleich noch zur nächsten Promi-Party der Bild-Zeitung eilen könnte, ohne sich vorher umzuziehen.
Klaus Wennemann ist als Staatsanwalt ohne jeden Zweifel schwerstunterfordert - weil er einfach ein zu guter Schauspieler für derartige Allerweltsrollen ist. Der Mann hat soviel dramatische Power, dass er mindestens alle zehn Sekunden schreien,schlagen oder schießen muss - selbst bei banalen Routine-Tätigkeiten wie Zähneputzen oder Mülleimer ausleeren zum Beispiel. Wennemann dürfte unbedingt nichts anderes spielen als, sagen wir, Shakespeare. Genau: King Lear oder so. Im Werbefernsehen könnte er vielleicht bei “Lasse Reinböng” mitbölken, falls sich noch jemand an den Quatsch erinnert. -
Jetzt wollen wir uns aber nicht mehr länger mit der ekligen Diktatur des verkleideten Proletariats beschäftigen, weil gerade unser lecker Nachtmahl serviert wird. Man schaltet um - zapp! - und hat verdammtes Pech: Das “Heute-Journal” hievt ein Wahnsinns-Rind ins Bild, das - in Leichenstarre alle Viere von sich gestreckt - in einen höllischen Feuerschacht geworfen wird. Der nächste Beitrag demonstriert uns, wie mit neuester Technik ein geborstener Darm wieder zugelötet wird, und schließlich blinkt auch noch die rote Birne eines bayrischen CSU-Magnaten auf: “Blablablablabla.”
Guten Appetit! Und gute Nacht! - Bevor wir einschlafen, schreiben wir das Drehbuch von dem “Gerichtskrimi” ein wenig um. Zunächst wechseln der Regisseur und der Hauptdarsteller die Plätze. Regie führt jetzt “Sigi Franke”, der Vergewaltiger heißt “Erwin Keusch”. Die Tat findet in der Kirche von Sylvias Schwippschwager Jupp statt. Nachdem die reiche Barbara gesagt hat “ich bin vergewaltigt worden”, zieht sie sich die Lippenkonturen mit einem "Ellen-Betrix"-Stift nach.
Ein genialer Fade lässt den Plot übergangslos in den nächsten Werbeblock münden: Die reiche Barbara, schon wieder 1a gekleidet, gestylt und frisiert, kommt aus der Kirche. Auf einer Parkbank sitzt ein fetter Pope mit braunem Talar und dummem Gesicht und gafft der “schönen” Frau unverhohlen hinterher. Da klingelt sein Nokia-Handy, und der liebe Gott mahnt den Bruder zur Ordnung – wahrscheinlich per „SMS“. Schon grinst der wieder unschuldig-dämlich, und ein kreisrundes Rauchzeichen erscheint über seinem Dickkopf.
Der Qualm beginnt zu wabern und breitet sich mählich aus. Bis sich schon bald alle Konturen in der milchigen Suppe aufgelöst haben.
Schlaf’ ich, so schlaf’` ich mir bequem, arbeit‘ ich - ja, ich weiß nicht wem.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Rezension von ChatGPT
Der Text "Hollywood für Doofe" bietet eine satirische Kritik an der deutschen Fernseh- und Filmlandschaft, insbesondere anhand des Films "Bruder, ich brauche Dein Blut". Mit scharfer Ironie und bissigem Humor kommentiert der Autor die oft übertriebenen und melodramatischen Handlungsstränge, die in solchen Produktionen vorkommen.
Analyse des Textes
Einführung und Zitat:
Der Text beginnt mit einem Zitat von Robert Schumann, das die hohe Aufgabe der Kunst beschreibt, Licht in die Tiefen des menschlichen Herzens zu senden. Dies dient als Kontrast zur darauf folgenden Kritik.
Filmvorstellung:
Der Film "Bruder, ich brauche Dein Blut" wird vorgestellt, mit einer detaillierten Zusammenfassung der Handlung, die absurd und überzogen wirkt: Ein Mann vergewaltigt eine Frau und muss seiner Schwester, die an Leukämie leidet, helfen.
Die Handlung ist mit zahlreichen Klischees und dramatischen Wendungen gespickt, die den Film eher wie eine schlechte Seifenoper wirken lassen.
Kritik an der Darstellung:
Der Autor kritisiert die "subtile Psychologie" des Films, die alles andere als subtil ist. Die Charaktere und ihre Handlungen wirken überzogen und klischeehaft.
Besondere Kritik richtet sich gegen die Darstellung der Vergewaltigung und der Reaktionen der Charaktere darauf. Die reiche Barbara bleibt auch in schlimmen Momenten perfekt gestylt, was die Absurdität und Oberflächlichkeit der Darstellung betont.
Klaus Wennemann als Staatsanwalt wird als talentierter Schauspieler beschrieben, der in dieser Rolle unterfordert ist und sich in banalen Routineaufgaben verliert.
Allgemeine Medienkritik:
Der Text weitet die Kritik auf die allgemeine Fernsehkultur aus, die Zuschauer mit übertriebenen und oft geschmacklosen Inhalten belästigt.
Beispiele aus dem Alltag (Werbeblöcke, Nachrichten) werden angeführt, um die Absurdität und das niedrige Niveau des Fernsehens zu illustrieren.
Satirische Neuschreibung:
Der Autor schlägt eine ironische Umschreibung des Films vor, in der der Regisseur und der Hauptdarsteller die Rollen tauschen, was die Absurdität weiter steigert.
Eine groteske Szene, die in einer Kirche spielt, wird beschrieben, die in einem absurden Werbeblock endet. Diese Szene parodiert die Art und Weise, wie ernsthafte Themen oft in triviale Kontexte eingebettet werden.
Stilmittel und Wirkung
Ironie und Sarkasmus: Der gesamte Text ist von einem ironischen und sarkastischen Ton durchzogen, der die Lächerlichkeit und Übertreibung der beschriebenen Filmhandlung und Fernsehkultur betont.
Übertreibung:
Die Beschreibung der Handlung und Charaktere ist stark übertrieben, um die Absurdität und die Klischees der Fernsehproduktionen zu unterstreichen.
Kontraste:
Der Autor nutzt Kontraste, wie das einleitende Zitat von Schumann, um die Diskrepanz zwischen idealer Kunst und realer Fernsehkultur hervorzuheben.
Direkte Anrede und Alltagssprache:
Der Text wendet sich direkt an den Leser und benutzt eine lockere, umgangssprachliche Ausdrucksweise, um eine Nähe zum Publikum herzustellen und die Kritik auf humorvolle Weise zu vermitteln.
Fazit
Der Text "Hollywood für Doofe" ist eine scharfsinnige Satire, die die Oberflächlichkeit und die dramatische Übertreibung in der deutschen Fernseh- und Filmlandschaft kritisiert. Mit ironischem Humor und bissiger Wortwahl wird die Absurdität solcher Produktionen bloßgestellt und gleichzeitig das Publikum zum Nachdenken angeregt.