Klar: Gelegentlich gelang es schon einmal, die Angst vor der Angst (oder sogar die Angst vor der Angst vor der Angst ) durch einen kleinen Kunstgriff ein wenig herauszuschnackeln. Doch das Ungeheuer ließ sich nie lange festhalten, sondern flutschte flugs wieder zurück, um sein Herrchen erneut diebisch zu piesacken oder bestialisch zu quälen. -
Ganz nach Gutdünken? Eben nicht! Das hatte Dr. Alfons Kokoschinski in einer statistischen Untersuchung über mehrere Jahre hinweg herausgefunden. In Pack- und Pöbelkreisen hatte er regelmäßig verkehrt, um die von ihrer Panik vor sich selbst zerfressenen Desperados zu beobachten. Bei den von mentalen und materiellen Mitteln etwas manierlicher ausgestatteten Personen schwärte das kläffende Untier zumeist in tieferen, verborgeneren Gefilden, schlug aber gerade deswegen gern gelegentlich mit umso eruptiverer Wucht zu.
Die Rötelner Messe! So entsetzlich es einerseits für den Analytiker erscheinen muss, so fasziniert war Ali auf der anderen Seite von dem Schauspiel, wie sich ein eigentlich gestaltloser, krankhafter Moloch zu manifestieren beginnt und sich dabei vergeblich hinter jener schrill feixende Maske zu verbergen trachtet, die von den Jahrmarkt-Jüngern als Götzenbild verehrt wird. Jeder Beleidigte und Erniedrigte kann sich in solchen Momenten von seinem erdrückenden seelischen Sondermüll für eine Weile befreien - indem er ihn dem Moloch Messe aufbürdet. Dann bricht ein großes Getöse und Geflimmer an, und die von ihrer Last erleichterten Menschen lassen sich gern ihr ganzes Geld wegschnappen, um ihre Körper mit deliziösen Giftstoffen aller Zuckercouleur vollzustopfen.
Extrem teuer ist's, weil sich die lieben Honoratioren zuvor auf Kosten der Schausteller die Wampe vollgeknallt und sich zugeschüttet haben. Die Rechnung zahlt dann im Endeffekt der arme Teufel, der allein mit der Currywurst oder der Quarkkartoffel für 6.50 Euro schon bestraft genug wäre.
Hat man sich den Magen erst anständig verdorben, steht sogleich die nächste "Mutprobe" auf dem Programm: Sich in irgendeiner Höllenmaschine für acht Euro solange im Kreis herumwirbeln zu lassen, bis die Currywurst eine zentrifugale Umlaufbahn eingenommen hat. Selbstverständlich saust es bald auch tüchtig im Oberstübchen, bis sich ein handfester Kurzschluss... oder schlimmer noch: ein Kotzschluss im Synapsengehedder' entlädt. -
Und während sich das Fest allmählich dem Ende entgegen neigt und die Besinnungslosen fortgeschafft werden ...ist der Boden der halben Stadt mit Kunststoff-Kehricht übersät.
Wenn sich das Monster in der Nacht verdünnisiert, dann spuckt es die Angst wieder aus, und die ergreift bellend Besitz von ihren Lieblingsopfern. -
Ali versuchte seinen Patienten eindringlich zu vergegenwärtigen, was seine statistischen Forschungen an den Tag gebracht hatten: Es gab eine Chance, sich von dem Elend zu befreien. Doch führte nur ein einziger Weg zum Ziel. Und der ging genau in die entgegen gesetzte Richtung - man durfte nicht vor der Furcht fliehen, sondern man musste sie verfolgen, von oben bis zur Wurzel.
Herr R. zum Beispiel hatte ein klitzekleines Problem, an dem es noch viel zu arbeiten gab: Immer wenn er am Abend über das Flussviadukt heimradelte, hatte er den Eindruck, dass die Polizei ihm seine beschwingte Stimmung missgönne. Doch merkwürdig, merkwürdig: Allein seine Befürchtungen schienen die Uniformierten wie magisch anzuziehen.
Ein scheinbar oberflächliches Bangen befiel regelmäßig Frau X, wenn sie fesch gestylt vom Barbier kam. Was wäre, wenn jetzt ein Windstößchen ihr die frische Facon aus der Frisur fegte?! - Ja, was, bitte? Würde ihr deswegen etwa ein potentieller Galan davon laufen? Würde sie sich selbst so leicht zerzaust im Spiegel nicht mehr leiden können?
"Versuchen sie," riet Ali der Dame, "weder von sich noch von ihrem Partner ein Idealbild aufzubauen." -
"Mich graut es vor der Einsamkeit," gestand Frau E. eines Tages ein.
"Ein perfektes Beispiel," befand Ali. "Nur eine einzige Frage dazu: Wenn man keine Angst vor der Einsamkeit hat, kann man dann überhaupt einsam sein? -- Es gibt ja überhaupt keine Einsamkeit. Die Welt gehört jedem einzelnen und gleichzeitig allen zusammen, es gibt keine Einsamkeit, es existiert nur die Angst davor! Also: machen sie sich kein Bild, jagen sie keinen Ideen nach, lassen sie sich von keiner Ideologie verblenden, stellen sie sich selbst keine Bedingungen.
In dem Augenblick, in dem er den letzten Satz ausgesprochen hatte, brach Doktor Alfons Kokoschinski bewusstlos zusammen: Die plötzliche Furcht vor seiner eigenen Furchtlosigkeit hatte ihn übermannt.
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Rezension von ChatGPT
In dem vorliegenden Text entfaltet der Autor eine eindrucksvolle Erkundung des Phänomens Angst, die nicht nur als emotionale Reaktion, sondern als tief verwurzeltes, inneres Ungeheuer verstanden wird. Durch die Figur des Dr. Alfons Kokoschinski, der als Analyst und Forscher der menschlichen Psyche auftritt, wird die Komplexität der Angst in ihrer gesamten Dimension dargestellt. Die Einleitung mit dem Zitat von Jiddu Krishnamurti hebt den Kern der Argumentation hervor: Die Krise, die uns quält, ist in erster Linie eine Angelegenheit des Bewusstseins.
Der Text ist geprägt von einer eindringlichen, manchmal scharfen Sprache, die sowohl ironisch als auch philosophisch wirkt. Die Darstellung der Rötelner Messe als ein Symbol für kollektive Flucht vor der Angst ist besonders gelungen. Hier wird deutlich, wie Menschen in der Masse versuchen, sich von ihrem seelischen Ballast zu befreien, nur um sich anschließend einer noch größeren inneren Leere und Angst gegenüberzusehen. Diese bildhafte Sprache zieht den Leser in die Tiefe der menschlichen Erfahrung und zeigt, wie stark Ängste im sozialen Kontext verankert sind.
Die Charaktere, wie Herr R. und Frau X, sind vielschichtig und repräsentieren die unterschiedlichen Facetten menschlicher Unsicherheit. Ihre individuellen Ängste – sei es die Furcht vor gesellschaftlicher Bewertung oder die Angst vor Einsamkeit – spiegeln universelle menschliche Erfahrungen wider. Die Ratschläge von Ali, die Angst nicht zu meiden, sondern ihr entgegenzutreten, sind sowohl provokant als auch befreiend. Diese Botschaft ist besonders relevant in einer Zeit, in der viele Menschen versuchen, ihre Ängste durch Ablenkung oder Konsum zu kompensieren.
Der überraschende Zusammenbruch von Dr. Kokoschinski am Ende bringt einen ergreifenden Schlussakkord. Er verdeutlicht, dass auch Experten und Analytiker nicht vor ihren eigenen Ängsten gefeit sind und zeigt die Fragilität des menschlichen Geistes auf. Diese Wendung lässt den Leser darüber nachdenken, wie tief die Furcht in uns verwurzelt ist und wie wichtig es ist, sich ihr ehrlich zu stellen.
Insgesamt ist der Text eine tiefgründige, gut durchdachte Auseinandersetzung mit dem Thema Angst. Er regt zur Selbstreflexion an und lädt den Leser ein, über die eigene Beziehung zur Angst nachzudenken. Der Autor gelingt es, sowohl zu unterhalten als auch zu inspirieren, indem er komplexe psychologische Themen in verständlicher und ansprechender Form präsentiert. Ein eindrucksvolles Werk, das zum Nachdenken über die eigenen inneren Dämonen anregt und einen Weg aufzeigt, ihnen mit Mut zu begegnen.
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"Die Krise ist keine Angelegenheit der Wirtschaft, des Krieges, der Bombe, Wissenschaft oder Politik, die Krise existiert nur in uns selbst, sie ist in unserem Bewusstsein."
(Jiddu Krishnamurti)
Gut gebrüllt, Löwe! Aber wie kriegen wir das dumme Ding dort weg?
Selbst Dr. Köters war es noch nicht gelungen, einem Patienten die Angst wegzuoperieren.