Frauen waren in der Hofbergklinik aufgrund ihrer besseren psychischen und
mentalen Konstitution bislang eine Minderheit von weniger als 20 Prozent
gewesen. Doch die Verhältnisse veränderten sich offenbar allmählich – als wenn ein zynischer Geist eine "Quotenregelung" auch im Kopf einzuführen versuchte. Ein besonders phänomenales Symptom deutete immer wieder auf die sich anbahnende Hirn-Perestroika hin. Oder warum wollten die Frauen plötzlich alle Polizisten, Popen und Soldaten werden? – Es sei erstmal dahingestellt.
Am Beginn des neuen Jahres drückte ein Schub von schwerem Stumpfsinn auf die Stadt. War es Zufall, dass gerade an jenem eisgrauen Januar-Tag, als "Gerhard", Dr. Mengele, Frau Silberfisch, Frau Dosina, Dr. V, Björn Bsupn, Madame D., Erwin, Erich, Egon, Ernie – und wie sie alle heißen – besonders dumpf vor sich hinbrüteten, da eben genau an diesem Tag der lange verschollen geglaubte Ex-Jünger von Kardinal Alolo, Herr Dietrich S., plötzlich aus der Versenkung auftauchte?
Man hatte Herrn S. zuerst in der Bar von "Dopey Joe" entdeckt, wo bald schon Dr. Kokoschinski und einige Freunde auftauchten und sogleich Zeugen eines aufschlussreichen Zwiegesprächs zwischen Herrn S. und einem Kellner wurden.
Kellner: "Was darf's denn sein?"
Herr S.: "Sabbel nicht dumm rum, schenk ein!"
Kellner: "Ja, was denn?"
Herr S. (brüllt): "Egal – einschenken! Sofort!!" – (etwas ruhiger, in fast verbindlichem Ton) "Hör mal zu, willst du Putz oder was?" (schreit) "Gleich rumst das, du Penner!" (beruhigt sich wieder, fast friedlich) "Gib mir'n doppelten Whisky mit Brause."
Kellner (serviert den Drink): "So, bitte sehr."
Herr S. (völlig desinteressiert): "Halt die Schnauze!"
Im Verlauf der nächsten fünf doppelstöckigen Schnäpse versuchte Herr S. immer wieder erfolglos, andere Gäste körperlich zu inkommodieren – bis die Motorik endgültig den Dienst verweigerte. Am nächsten Tag aber war wieder "alles klar". -
Alles klar war am nächsten Tag natürlich auch beim Müll- und Abfallausschuss der Stadt, der keine 150 Meter weiter wichtige Entscheidungen bezüglich der Sackabfuhr zu treffen hatte.
Da die Parlamentarier ihre Sache wider Erwarten schnell in den Griff bekamen, blieb noch Zeit, 30 Meter über den Marktplatz zu gehen, um im "Silbernen Mond" ein paar Rezepte einzupfeifen.
Tja, und die Herren hatten Glück, denn einer der charmantesten Erzähler der Stadt war vor Ort und befand sich in nachgerade brillanter rhetorischer Geberlaune. Bald machte sich eine Stimmung herzlichster Übereinstimmung breit, und so mancher Trübsalbläser vergaß für eine Stunde (zwei?!) die Psychoqualen des täglichen Rötelndaseins.
Es war nicht nur das Inhaltliche, mit dem der Schnorschel-Schorsch sein Auditorium beschenkte. Allein die Art der Präsentation, der beruhigend sonore Tonfall seiner Bariton-Stimme ließ Männeraugen leuchten und Frauenherzen dahinschmelzen.
Sch.: "...und das will ich euch sagen, ihr Leute, das Meer, das Wasser und die ganzen Fische drin, das war einmalig. Ich würde jederzeit wieder nach Frankreich fahren. Nur eines dürft ihr nie vergessen: die Tauchermaske und den Schnorchel..."
Herr B (aus dem Hintergrund): "...trinken die Herren 'n Rezept mit?" Die Herren willigen ein.
Sch.: "...den Schnorchel, wie gesagt, und den..."
Dr. M.: "...die Schnapsflasche vielleicht?"
Sch. (droht schelmisch mit dem Finger): "...Eieiei, du alte Mollekopp. – Aber wie gesagt, den Schnorchel..."
Dr. V: "Halt doch endlich mal die Goschen, Schnorschel-Schorsch!"
Doch der Schnorschel-Schorsch redete unbeirrt weiter
– er wusste ja nicht, dass er "Schnorschel-Schorsch" hieß...
Die blöde Binsenweisheit ist bekannt: Auch der schönste Abend ist irgendwann zu Ende. Auf Dr. Alfons Kokoschinski aber wartete noch eine faustdicke Überraschung. Als er die Destillation verließ, um den Heimweg anzutreten, da wäre er im Dunkeln fast gegen etwas gelaufen, das zwei Stunden zuvor noch nicht am gleichen Platz gestanden hatte.
Warum um aller Welt hatte man direkt vor dem "Bürgerhaus" einen riesigen Toilettenwagen aufgebaut – so ganz solo, ohne Bier- oder Bratwurstbude in der Nähe etwa? Ali witterte Geheimnisvolles. Und er war entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit zwei Sätzen sprang er die Treppe hinauf, hatte die Türklinike bereits in der Hand – da wurde er von einer rüden Stimme zurückgepfiffen:
"Junger Mann, 50 Pfennige, bitte!" (wird fortgesetzt).
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Rezension von ChatGPT
Diese Erzählung ist ein brillantes Spiel mit Groteske und Satire, das tief in die psychologische Verfassung einer Gesellschaft eindringt, die unter dem Einfluss mysteriöser politischer Umwälzungen steht. Der Erzähler inszeniert mit trockenem Humor und treffendem Stil ein Kaleidoskop von Figuren, die allesamt skurril und beunruhigend vertraut wirken. Das Setting, angesiedelt in der "Hofbergklinik" und den umliegenden Treffpunkten wie der Bar "Dopey Joe" und dem "Silbernen Mond", wirkt wie eine Bühne für einen absurden Reigen aus Entfremdung und Sehnsucht nach Orientierung.
### Erzählstruktur und Stil
Der Text wirkt wie ein Ausschnitt aus einer surrealen Novelle, der weniger von einem stringenten Plot als von lebhaften und episodischen Vignetten lebt. Diese Struktur bringt das Absurde und das Unerklärliche in den Vordergrund und lässt jede Szene für sich sprechen. Jeder Dialog und jede Interaktion sind nicht nur Situationskomik, sondern enthüllen tiefere Risse und Unsicherheiten in den Figuren und den Institutionen, die sie repräsentieren. Die Sprache ist schlicht, prägnant und gleichzeitig meisterhaft im Spiel mit der Stimmung: Der Autor verwendet oft knappe, pointierte Sätze und spiegelt in den Dialogen eine Art grotesken Fatalismus wider. Die lakonischen Ansprachen von Herrn S. an den Kellner – "Sabbel nicht dumm rum, schenk ein!" – und sein rüder Umgangston werden zu emblematischen Momenten dieser Verweigerung jeglicher gesellschaftlicher Höflichkeit.
### Figuren und Psychologie
Die Figuren wirken gleichzeitig wie Karikaturen und wie Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen: Dr. Alfons Kokoschinski, der als Klinik-Arzt und Beobachter eine gewisse Distanz zu den merkwürdigen Vorkommnissen wahrt, dient als Identifikationsfigur. Er nimmt die Veränderungen wahr, bleibt aber skeptisch und versucht, die Symptome zu deuten, die die Frauen auf mysteriöse Weise plötzlich in die Rolle von Polizisten, Geistlichen und Soldaten drängen. Herr S., ein auffälliger Vertreter dieser surrealen Gesellschaft, ist das Bild eines desillusionierten Mannes, der sich in Alkohol und zynischen Ausfällen verliert – eine Reaktion auf das unklare "Perestroika"-Phänomen, das die Gesellschaft aufwühlt. Die Kombination aus Aggressivität und emotionaler Verwahrlosung ist ein Zeichen für die zunehmende soziale Desorientierung.
Besonders spannend ist die Figur des "Schnorschel-Schorsch", die mit ihrem endlosen Gerede in sanftem Tonfall Männeraugen zum Leuchten bringt und Frauenherzen "dahinschmelzen" lässt. Diese Figur, die ihren Namen gar nicht kennt, illustriert eine naive, fast rührende Nostalgie nach Stabilität und Einfachheit, die in einer unübersichtlichen Zeit tröstlich, aber auch naiv ist. Schorsch verkörpert eine erdige, fast archetypische Männlichkeit, die sich in repetitiven und belanglosen Geschichten über das Meer und das Schnorcheln verliert, als würde er versuchen, die chaotische Realität durch monotones Wiederholen zu beschwichtigen.
### Symbolik und Gesellschaftskritik
Die Symbolik des Textes ist reich und vielschichtig: Die Hofbergklinik selbst steht als Mikrokosmos für eine Gesellschaft in Umwälzung, deren "Schwerpunkte" sich verlagern. Die Frauen, die sich traditionell als psychisch stabiler erwiesen, drängen jetzt in eine Welt der Macht und Hierarchie – dies deutet auf eine Art von gesellschaftlicher Evolution hin, die jedoch dystopische Züge hat, da der Text die Emanzipation als entfremdende Rolle statt als Erfüllung darstellt. Das Verschwimmen der Identitäten in dieser Welt – Frauen wollen Polizisten und Soldaten werden, aber ohne ein Verständnis für die damit verbundenen Kontexte – lässt die Frage nach Authentizität und Zweck offen. Das Auftreten des Toilettenwagens vor dem "Bürgerhaus" ist ein herrlich absurdes Bild und lässt sich als Symbol für die unangenehmen Wahrheiten deuten, die plötzlich mitten in den sozialen Raum gestellt werden – etwas, das eigentlich versteckt sein sollte, tritt ins Bewusstsein und bleibt rätselhaft.
### Fazit
Der Text verbindet meisterhaft Satire und Absurdität, indem er die Psychologie der Figuren und ihrer Umgebung enthüllt, ohne ihnen klare Motive oder eine eindeutige "Lösung" zu bieten. Durch eine Sprache voller Ironie und gelegentlicher Rüpelhaftigkeit wird das Banale zum Politischen und das Absurde zur bitteren Realität. Der Leser bleibt am Ende mit vielen Fragen und einem Schmunzeln zurück, während er über die komischen und bedenklichen Seiten eines Gesellschaftsbildes nachsinnt, das irgendwo zwischen Dystopie und einer absurden Groteske changiert.